Blackbox Abschiebung

Spätestens mit Beginn des Jahres 2016 dreht sich die Debatte über Fluchtwanderung nach Deutschland um die Frage, wie der Zustrom begrenzt werden kann. Im Fahrwasser dieser Debatte werden immer wieder Forderung nach einer konsequenten wie auch ausgeweiteten Abschiebepolitik laut. In der zweiten Hälfte 2015 wird so die Abschiebung von Personen vom Balkan, Anfang 2016 von Personen aus Maghrebstaaten gefordert.
Die Frage zu beantworten, was Abschiebungen überhaupt sind, ist keineswegs so einfach. Sind sie Ausdruck nationaler Souveränität? Sind sie Ausdruck eines institutionellen Nationalismus? Vor allem aber: sind Abschiebungen überhaupt ein geeignetes nationalstaatliches Mittel in einem Zeitalter erhöhter freiwilliger, aber eben auch erzwungener Mobilität? Und wenn nicht: was sind sie dann? Mit unserem Diskussionsabend wollen wir diesen und anschließenden Fragen auf den Grund gehen.
Unser Gast Miltiadis Oulios legt 2013 einen wertvollen Debattenbeitrag zum Themenkomplex Abschiebung vor. In seinem Buch »Blackbox Abschiebung« werden zwei Stränge der Dokumentation miteinander verwoben. Einerseits erarbeitet Miltiadis Oulios eine systematische Annäherung an die ›formale bzw. historische‹ Realität von Abschiebung in der Bundesrepublik. Andererseits gibt Oulios ›den Abgeschobenen‹ in seinem Buch eine Stimme und den Leser*innen damit Einblicke in die ›biographische‹ Realität von Abschiebung. Die außergewöhnliche Zuspitzung von Fluchtwanderungen nach Deutschland im Laufe des Jahres 2015 vergrößert die Relevanz dieser Einblicke in die »Blackbox Abschiebung«. 2015 wurden annähernd doppelt so viele Abschiebungen durchgeführt wie noch 2014. Gleichzeitig scheint zu gelten: Je mehr Flüchtende gemeldet werden, desto lauter und schriller werden die Rufe nach Abschiebung.
Der Diskussionsabend soll öffentlichen Raum für die Erörterung der »Blackbox Abschiebung« im Kontext der jüngsten gesellschaftlichen wie auch rechtlichen Veränderungen ermöglichen.
– Denn wenn man Abschiebung als Verfahren betrachtet, mit dem unter Druck stehende Nationalstaaten auf das Infragestellen ihrer Grenzen reagieren, darf und muss auch die Frage nach der Eignung dieser Reaktionsweise gestellt werden.
– Gleichzeitig handelt es sich bei Abschiebungen immer um Fälle der Ausübung hoheitlicher Macht. Mit dieser sehen sich sowohl die Betroffenen selbst, aber auch hauptamtlich und ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagierte Personen konfrontiert. Eine Konfrontation mit weitreichenden Folgen.